top of page
  • anna-katharina-fri

"Der taugt zwar nicht (mehr) zum Reiten, aber als Therapiepferd ist er total geeignet."

Da ich gerade auf der Suche nach einem zweiten Pferd bin, um mein Angebot zu erweitern und auch für die Kleinsten ein tolles Pony zur Verfügung stellen zu können, höre ich das obige Zitat in letzter Zeit unglücklicherweise immer öfter. Warum ich diese Aussage entschieden ablehne, und was ein gutes Therapiepferd eigentlich mitbringen sollte, erfahrt ihr hier.


 

Auf diversen Kleinanzeigenportalen und Pferdeverkaufsseiten liest man solche Sprüche leider viel zu häufig. Diese Aussage finde ich aus zwei Gründen total problematisch. Zum einen wird unterstellt, dass ein Therapiepferd nichts leisten müsse und deswegen gerne diverse Mängel aufweisen kann; zum anderen ist diesen Menschen scheinbar auch nicht bewusst, wie zeit- und kostenintensiv eine fachkundige Ausbildung eines Pferdes, das für reittherapeutische und reitpädagogische Zwecke eingesetzt werden soll, ist. Zudem ist es schlicht und einfach super gefährlich!


Gerade Pferde, die für Anfängerreitstunden, pädagogische und therapeutische Angebote genutzt werden, arbeiten schwer und hart für ihr Geld und sind in Gold nicht aufzuwiegen. Damit meine ich nicht nur die körperliche Arbeit, die ein Therapiepferd zu verrichten hat und so und so viele Stunden in der Reitbahn zu absolvieren hat, sondern vor allem die mentale Belastung, der es ausgesetzt ist. Diese beginnt bei laut-wuselnden Kindergruppen, geht weiter über häufig wechselnde Reiter, die ihre Hilfen noch nicht präzise geben können und das Pferd somit viele Reiterfehler zu verzeihen hat, und endet bei Menschen mit körperlichen Einschränkungen in der Hippotherapie. Daraus ergibt sich eine breite Palette an Herausforderungen, der das Pferd tagtäglich körperlich und mental gewachsen sein muss. Wer an dieser Stelle Tiere einsetzt, die auf Grund körperlicher und gebäudetechnischer Mängel (damit meine ich nicht den leichten Bockhuf oder andere kleine Handicaps), physisch gar nicht dazu in der Lage sind, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, um ihre Reitschüler von A nach B zu tragen, handelt klar tierschutzwidrig. Wenn diese Pferde auf Grund ihrer gerne von Anbietern verharmlosten "Problemchen" dann auch noch während einer Einheit mit ihrem Reitschüler stürzen und diesen verletzten, ist das Ganze auch noch schwer fahrlässig.Daher Finger weg von solchen Angeboten!


Um zu verdeutlichen, wie viel Arbeit, Schweiß und Mühe in der Ausbildung eines soliden Therapiepferdes steckt, möchte ich euch dies an meinem Pferd Posmak verdeutlichen:


- Eckdaten: Schlesier, Wallach, geb. 2015, Stockmaß: 1,60m, Exterieur: kompakt, mit extrem kurzem Rücken

Das ist der Schatz

Gekauft habe ich ihn 2018, als er knapp dreijährig war. Es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick. Nachdem ich lange vergebens nach einem Endmaßpony/Kleinpferd gesucht hatte, das sowohl für mich zum Reiten passt, als auch potenziell zum Therapiepferd geeignet ist, habe ich mich sonntags in aller Herrgottsfrühe ins Auto gesetzt, um über 600km in den Chiemgau zu fahren, weil ich am Abend zuvor lediglich ein Foto in einer Verkaufspferdegruppe auf Facebook gesehen hatte. Dort stand dann ein selbstbewusster Ponymann vor mir und es war nach einem Ausritt, den ich hinter einem Begleitpferd lediglich über Stimmkommandos in allen drei Grundgangarten hinter mich brachte (Reitergewicht kannte er, jedoch noch keine Hilfengebung), klar, dass er mein Pferd wird. Gekauft wie gesehen reiste er dann zwei Tage später zu mir in die schöne Pfalz und das Projekt Jungpferdeausbildung mit allen seinen Tücken begann.

Zur soliden Grundausbildung, die jedes Therapiepferd genossen habe sollte, bevor es spezifischer ausgebildet wird, hatte ich glücklicherweise viel Hilfe und Anleitung durch eine erfahrene Trainerin. Denn auch wer seit Jahrzehnten reitet, wird schnell feststellen, dass die Jungpferdeausbildung nochmal ein ganz anderes Kapitel ist :-)

Als Posmak dann soweit sicher an den Hilfen stand und E-/A-Niveau ausgebildet war (nur das Springen ist nach wie vor eine absolute Katastrophe), habe ich langsam begonnen, ihn auf seinen Einsatz als Reitpädagogikpferd vorzubereiten, indem ich ihn an Kindergruppen, verschiedene Materialen (Tücher, Hütchen, Pylonen, Schwungtücher, Luftballons, Flatterbänder, Bälle, ...), den Voltigiergurt und unterschiedliche Führtechniken gewöhnt habe. Dabei sollte immer beachtet werden, dass Pferde Fluchttiere sind und ihr arttypisches Verhalten auch gerne mal ausleben, und dass diese sehr spezifische Ausbildung nur mit genügend Zeit, Ruhe und Gelassenheit funktioniert, um das Tier nicht zu überfordern. Auch ein sicherer und partnerschaftlicher Umgang ist eine Grundvoraussetzung, um zu einem Team zusammen zu wachsen - denn das muss man wirklich in allen Lebenslagen sein!


Alles in allem habe ich über zwei Jahre lang keine Kosten und Mühen gescheut, ihn auf seinen künftigen Job vorzubereiten. Dieser Weg mag vielleicht für einige etwas übertrieben erscheinen und aus rein wirtschaftlichen Aspekten nicht für herkömmliche Reitschulen umsetzbar sein, dennoch war es für uns als Team der einzig richtige Weg. Seine Arbeitsbereitschaft, ungebrochene Neugier und Spaß im Umgang mit den Kindern beweisen mir das täglich!


Wer sich fragt, was ein gutes Therapiepferd mitbringen und können sollte, kann sich gerne an der folgenden Auflistung orientieren, wobei diese natürlich nicht vollständig ist und individuell erweitert und angepasst werden muss. Wenn ich zum Beispiel Hippotherapie anbiete, sollte das Pferd natürlich auch in Rollstühle, Gehhilfen und elektrische Aufstiegshilfen gewöhnt sein. Gleichzeitig sollte man seinem tierischen Mitarbeit auch einiges bieten können, damit er lange gesund und leistungsfähig bleibt:


Das Therapiepferd

Das sollte ein gutes Therapiepferd können/mitbringen

Das sollte ihm geboten werden

eignet sich charakterlich für seinen Einsatz, ist stets gelassen und einfach eine "coole Socke" (dies halte ich für viel wichtiger, als nach einer bestimmten Rasse zu suchen)

hat eine passende Ausrüstung (vorzugsweise Volitgiergurt und Pad)

ist von seiner Größe her für die Zielgruppe passend (kleine Kinder, kleine Pferde/Ponys)

hat ein Gewichtslimit für seine Reiter (max. 15% des Körpergewichts des Pferdes)

hat eine solide Grundausbildung genossen

hat genügend Pausen und kinderfreie Zeit

ist korrekt geritten und wir regelmäßig Korrektur geritten

wird regelmäßig tierärztlich versorgt (Wurmkuren, Impfungen, Zahnkontrollen, etc.)

lässt sich am losen Strick führen und reagiert sensibel auf die Hilfen seiner Menschen (auf und am Pferd)

wird regelmäßig dem Hufschmied vorgestellt

ist an verschiedenste Materialien gewöhnt

genießt weiterführende Behandlungen und therapeutische Maßnahmen (z.B. Pferdephysio,...), wenn es Probleme hat

kennt mitunter lauter und vor allem laufende Kindergruppen

hat ein abwechslungsreiches Training

ist Meister der Kommunikation und versteht mich in allen Lebenslagen

wird artgerecht gehalten und hat genügend Möglichkeiten, sein arttypisches Verhalten auszuleben

Vergesst nie: Unsere Pferde danken es uns täglich!







0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page